Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:2004:185

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
F. G. JACOBS
vom 25. März 2004(1)



In der Rechtssache C-372/02



Roberto Adanez-Vega

gegen

Bundesanstalt für Arbeit







1.       Im vorliegenden Fall hat das deutsche Bundessozialgericht eine Reihe von Fragen zur Auslegung der Artikel 3, 13, 67 und 71 der Verordnung Nr. 1408/71 (2) (im Folgenden: Verordnung) vorgelegt.

2.       Der Gerichtshof wird, erstens, gefragt, welches Recht auf einen spanischen Staatsbürger anwendbar ist, der, nachdem er den Großteil seines Lebens in Deutschland gewohnt hatte, neun Monate in Spanien seinen Pflichtwehrdienst abgeleistet hat und anschließend wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist, wo er Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragt hat, und zweitens, ob die Wehrdienstzeit nach der Verordnung bei der Bestimmung des Anspruchs des Klägers auf diese Leistung zu berücksichtigen ist.

3.       Die fraglichen Bestimmungen der Richtlinie sind Artikel 3 (in dem der Grundsatz der Gleichbehandlung niedergelegt ist), Artikel 13 Absatz 2 (der Regeln zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften enthält), Artikel 67 (der Regeln zur Zusammenrechnung oder Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten bei der Bestimmung des Anspruchs auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit enthält) und Artikel 71 (in dem es um Arbeitslose geht, die zuletzt im Wesentlichen in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnortmitgliedstaat beschäftigt waren). Der Wortlaut dieser Bestimmungen wird, soweit erforderlich, zu Beginn der Diskussion der Frage oder der Fragen wiedergegeben, für die er relevant ist.

4.       Ferner ist Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/72 (3) zu beachten. Diese Bestimmung legt das Verfahren zur Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 fest. Artikel 80 bestimmt vor dem Hintergrund von Artikel 67 der Verordnung Nr. 1408/71, dass die Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für die betreffende Person galten, eine Bescheinigung über die Versicherungs- und Beschäftigungszeiten auszustellen hat, die diese Person nach diesen Rechtsvorschriften als Arbeitnehmer zurückgelegt hat.

Nationales Recht

5.       Nach § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat eine Person Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sie u. a. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 104 ist die Anwartschaftszeit erfüllt, wenn eine Person während der Rahmenfrist von drei Jahren, die dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind, unmittelbar vorausgeht, 360 Tage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat.

6.       Nach § 107 sind Wehrdienstzeiten als Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung zu behandeln.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7.       Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich der folgende Sachverhalt.

8.       Der Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, wurde 1974 in Deutschland geboren und ist seitdem mit seinem ersten Wohnsitz in Deutschland gemeldet. Von September 1991 bis Juli 1994 absolvierte er in Madrid eine Ausbildung zum Energieelektroniker. Vom 3. bis 31. August 1994 sowie vom 3. November 1994 bis 20. April 1995 war der Kläger als Elektriker in Deutschland beschäftigt. Am 21. April 1995 reiste er nach Spanien aus, wo er vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 seinen Pflichtwehrdienst ableistete; seit dem 30. Mai 1996 stand er in Deutschland wieder in Arbeit.

9.       Der spanische Sozialversicherungsträger bestätigte dem Kläger im Januar 1997 gemäß Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/72 eine Versicherungs- und Beschäftigungszeit vom 1. Dezember 1991 bis 4. Dezember 1992.

10.     Der Kläger meldete sich am 25. April 1996 bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit mit der Begründung ab, die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt, da u. a. die Pflichtwehrdienstzeit in Spanien keine beitragspflichtige Beschäftigung im Sinne des AFG darstelle.

11.     Der Klage des Klägers gab das Sozialgericht Hannover statt; das Urteil dieses Gerichts wurde vom Landessozialgericht bestätigt. Die Beklagte legte Revision zum Bundessozialgericht ein.

12.     Dieses Gericht führt aus, dass die dreijährige Rahmenfrist den Zeitraum vom 25. April 1993 bis 24. April 1996 umfasse. In diesem Zeitraum sei der Kläger vom 3. August 1994 bis 31. August 1994 sowie vom 3. November 1994 bis 20. April 1995 in Deutschland betragspflichtig beschäftigt gewesen. Das ergebe 198 und damit weniger als 360 Tage einer derartigen Beschäftigung. Der Kläger hätte jedoch Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn die Wehrdienstzeit vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 berücksichtigt würde. Diese Zeit könne nach deutschem Recht nicht für die Zurücklegung der Anwartschaftszeit herangezogen werden, sie sei jedoch möglicherweise nach Gemeinschaftsrecht zu berücksichtigen. Das setze voraus, dass die Beklagte gemeinschaftsrechtlich für die Bewilligung des Arbeitslosengelds zuständig sei und die entsprechenden Leistungsvoraussetzungen vorlägen. Ob dies der Fall sei, hänge von der Auslegung einiger Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 ab. Das Bundessozialgericht hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

13.     Der vollständige Wortlaut der Vorlagefragen wird im Anhang dieser Schlussanträge wiedergegeben. Es geht dabei im Wesentlichen darum, ob, erstens, unter den gegebenen Umständen spanisches oder deutsches Recht anwendbar ist; ob, zweitens, die Pflichtwehrdienstzeit des Klägers eine „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 ist; ob, drittens, bei Bejahung dieser Frage Artikel 67 grundsätzlich neben Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii anwendbar ist; und ob, viertens, wenn das der Fall ist, Artikel 67 die Berücksichtigung einer Pflichtwehrdienstzeit verlangt, die nach der letzten Versicherungszeit im Sinne des deutschen Rechts abgeleistet wurde. Schließlich fragt das vorlegende Gericht, ob die Pflichtwehrdienstzeit nach Artikel 3 der Verordnung zu berücksichtigen ist, wenn sich dies nicht aus den vorstehend genannten Bestimmungen ergibt.

14.     Schriftliche Erklärungen sind vom Kläger, von der deutschen und der portugiesischen Regierung und von der Kommission eingereicht worden. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden, da kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.

Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften

15.     Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Person in der Situation des Klägers nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung den spanischen oder nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt.

Artikel 13 der Verordnung

16.     Artikel 13 – Allgemeine Regelung – ist die erste Bestimmung des Titels II – Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften – der Verordnung Nr. 1408/71.

17.     Artikel 13 Absatz 1 in der maßgeblichen Fassung bestimmt:

„Vorbehaltlich des Artikels 14c [der im vorliegenden Fall unbeachtlich ist] unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.“

18.     Artikel 13 Absatz 2 enthält eine Reihe von Regeln zur Bestimmung der in bestimmten Situationen jeweils anzuwendenden Rechtsvorschriften. Diese Regeln gelten vorbehaltlich der Artikel 14 bis 17, d. h. der übrigen Bestimmungen des Titels II, die verschiedene Sonderregelungen enthalten, von denen keine im vorliegenden Fall anwendbar ist.

19.     Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a bestimmt:

„Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat.“

20.     Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e sieht vor:

„[E]ine zum Wehrdienst oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates. Ist die Inanspruchnahme dieser Rechtsvorschriften von dem Nachweis von Versicherungszeiten vor der Einberufung bzw. der Wiedereinberufung zum Wehrdienst oder Zivildienst oder nach der Entlassung aus dem Wehrdienst oder Zivildienst abhängig, so werden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten, soweit erforderlich, wie Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates zurückgelegt worden sind. Zum Wehrdienst oder Zivildienst einberufene oder wiedereinberufene Arbeitnehmer bzw. Selbständige behalten ihre Arbeitnehmereigenschaft bzw. Selbständigeneigenschaft.“

21.     Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f, der mit Wirkung ab 29. Juli 1991 durch die Verordnung Nr. 2195/91 (4) in die Verordnung Nr. 1408/71 eingefügt wurde, bestimmt:

„[E]ine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.“

Würdigung

22.     Meiner Ansicht nach sind die anzuwendenden Rechtsvorschriften allein nach Titel II – Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften – der Verordnung zu ermitteln, den der Gerichtshof wiederholt als „ein geschlossenes und einheitliches System von Kollisionsnormen“ bezeichnet hat (5) . In Artikel 13 Absatz 1 heißt es nämlich ausdrücklich: „Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.“ Ich kann mich daher dem Vorbringen der Kommission, die anzuwendenden Rechtsvorschriften würden nicht durch Titel II geregelt, sondern seien nach Bestimmungen an anderen Stellen der Verordnung zu ermitteln, nicht anschließen.

23.     Zwar gibt es Bestimmungen in anderen Titeln der Verordnung, die für bestimmte Situationen die Anwendung der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen vorsehen, dessen Vorschriften nach Titel II anwendbar sind. Das System der Verordnung in der Auslegung des Gerichtshofes geht jedoch klar davon aus, dass die auf eine Sozialleistungen beantragende Person grundsätzlich anzuwendenden Rechtsvorschriften immer nach Titel II festzustellen sind, auch wenn in bestimmten Situationen eine Sonderbestimmung der Verordnung aus einem gegebenen Grund die Anwendung der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats vorsieht.

24.     Im vorliegenden Fall war der Kläger 1. vom 3. bis 31. August 1994 und vom 3. November 1994 bis 20. April 1995 in Deutschland beschäftigt und unterlag während dieser Zeit nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a den deutschen Rechtsvorschriften; er leistete 2. vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 seinen Pflichtwehrdienst in Spanien ab und unterlag während dieser Zeit nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e den spanischen Rechtsvorschriften. Fraglich ist, welche Rechtsvorschriften danach anwendbar waren, als er nach Deutschland zurückkehrte und Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragte.

25.     Das Urteil Kuusijärvi (6) , in dem es um Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f geht, dürfte diese Frage beantworten. In diesem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass „[nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f] auf eine Person, die weder nach den anderen Bestimmungen des Artikels 13 Absatz 2 … noch nach den Artikeln 14 bis 17 der Verordnung Nr. 1408/71 weiterhin den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anwendbar [sind], in dessen Gebiet sie wohnt“. Diese Beschreibung trifft offensichtlich auf die Lage des Klägers im vorliegenden Fall zu. Auch die deutsche Regierung ist dieser Ansicht.

26.     Die portugiesische Regierung vertritt zwar die Auffassung, dass nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e die spanischen Rechtsvorschriften anwendbar seien; dieses Vorbringen scheint sich jedoch nur auf die während der Wehrdienstzeit anzuwendenden Rechtsvorschriften zu beziehen, während es in der ersten Vorlagefrage um die danach anwendbaren Rechtsvorschriften geht.

27.     Die Kommission trägt vor, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e sei nach dem Ableisten des Wehrdienstes ebenso wenig anwendbar wie nach dem Verlust des Arbeitsplatzes. Andernfalls könnte ein Arbeitsloser immer in einen anderen Mitgliedstaat umziehen und dort Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragen. Diese Auffassung steht jedoch in Widerspruch zu dem Urteil Kuusijärvi, in dem es heißt, dass „auf eine Person, die nicht mehr im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, … nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f … entweder die Rechtsvorschriften des Staates anwendbar [sind], in dem sie früher eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt hat, falls sie dort weiterhin wohnt, oder die Rechtsvorschriften des Staates, in den sie umgezogen ist“ (7) .

28.     Außerdem ist klar, dass der Gerichtshof mit der Formulierung „eine Person, die nicht mehr im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist“, nicht seine Feststellung auf Personen beschränken wollte, die endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben haben. In der Rechtssache Kuusijärvi hatten die schwedische und die norwegische Regierung geltend gemacht, dass Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f nur auf solche Personen anwendbar sei und dass eine Person, die nur vorübergehend nicht berufstätig sei, nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats ihrer letzten Beschäftigung unterliege, auch wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat umziehe. Der Gerichthof stellte fest, dass sich aus dem Wortlaut des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass seine Tragweite so begrenzt sei; er sei im Gegenteil allgemein formuliert, so dass er jeden Fall erfasse, in dem eine Person, gleichgültig aus welchem Grund, den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht mehr unterliege; er sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Betroffene seine Berufstätigkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat endgültig oder vorübergehend beendet habe (8) .

29.     Ich bin zudem nicht überzeugt, dass die Sorge der Kommission berechtigt ist. Selbst wenn Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dazu führen sollte, dass auf eine Person, die ihre Beschäftigung in einem Mitgliedstaat aufgegeben hat und in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist, die Rechtsvorschriften des letztgenannten Staates anzuwenden sind, berechtigt das diese Person nicht automatisch, Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von diesem Staat zu beziehen. Der Gerichtshof hat im Urteil Kuusijärvi betont, dass „Artikel 13 Absatz 2 … nur festlegen [soll], welche nationalen Rechtsvorschriften für Personen gelten, bei denen einer der in Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben a bis f aufgeführten Fälle vorliegt. Diese Bestimmungen legen als solche nicht die Voraussetzungen fest, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit oder einem bestimmten Zweig eines solchen Systems beitreten kann oder muss. Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, durch den Erlass von Rechtsvorschriften diese Voraussetzungen, einschließlich der Voraussetzungen für die Beendigung der Versicherungszugehörigkeit, festzulegen.“ (9) Macht ein Mitgliedstaat den Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der Voraussetzung abhängig, dass der Antragsteller Versicherungs- und Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, so hat er nach Artikel 67 der Verordnung bei seinen Berechnungen in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte entsprechende Zeiten zu berücksichtigen. Im Allgemeinen greift dieses Erfordernis jedoch nur, wenn der Antragsteller „unmittelbar zuvor“ solche Zeiten in dem Mitgliedstaat zurückgelegt hat, in dem er Leistungen beantragt (10) . Ich glaube daher nicht, dass die von mir vorgeschlagene Auslegung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f die von der Kommission beschriebenen Auswirkungen haben könnte.

30.     Größere Sorge bereitet es mir, dass die durch das Urteil Kuusijärvi vorgegebene Auslegung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f das System der Verordnung und insbesondere der Bestimmungen des Titels III Kapitel VI – Arbeitslosigkeit – stören könnte. Dieses Kapitel umfasst die Artikel 67 bis 71. Wie nachfolgend gezeigt werden wird, sieht Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i für bestimmte Arbeitslose vor, dass diese Leistungen wegen Arbeitslosigkeit „nach den Rechtsvorschriften [des zuständigen] Staates [erhalten], als ob sie in diesem Staat wohnten“; nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii erhalten andere Arbeitslose Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie wohnen. Aus dem System der Verordnung und der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich klar, dass der Begriff „zuständiger Staat“ definiert werden muss als der Staat, dessen Rechtsvorschriften nach den allgemeinen Regeln in Artikel 13 der Verordnung anwendbar sind (11) . Da es bis zur Einfügung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f durch die Verordnung Nr. 2195/91 (12) ständige Rechtsprechung war, dass auf einen Leistungen begehrenden Arbeitslosen (nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a) die Rechtsvorschriften des Staates der letzten Beschäftigung anwendbar sind (13) , überrascht es nicht, dass der Gerichtshof bei der Auslegung jener Vorschriften davon ausgegangen ist, dass dieser Staat normalerweise der für Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zuständige Staat ist (14) . Führte Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dazu, dass auf einen Arbeitslosen, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner letzten Beschäftigung wohnt, die Rechtsvorschriften des Wohnortmitgliedstaats anwendbar sind, wäre Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i bedeutungslos und Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii überflüssig. Daher könnte im vorliegenden Fall eine Klarstellung durch den Gerichtshof angebracht sein, dass seine Auslegung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f im Urteil Kuusijärvi nicht auf Fälle anwendbar ist, in denen es um Leistungen wegen Arbeitslosigkeit geht, die vielmehr weiterhin unter Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a oder gegebenenfalls entsprechend unter Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben b bis e fielen. Das würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass auf den Kläger nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e die spanischen Rechtsvorschriften anwendbar wären.

31.     Für die übrigen Vorlagefragen werde ich auf der Grundlage fortfahren, dass im Einklang mit dem Urteil Kuusijärvi nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f die deutschen Rechtsvorschriften anwendbar sind. Für den Fall, dass der Gerichtshof sein Urteil in dem von mir vorstehend vorgeschlagenen Sinne trifft, werde ich jedoch außerdem an den maßgebenden Stellen kurz die Situation bei Anwendbarkeit der spanischen Rechtsvorschriften darstellen.

Artikel 71 der Verordnung

Einschlägige Bestimmungen

32.     Artikel 1 der Verordnung Nr. 1408/71 enthält eine Reihe von Definitionen, u. a. folgende:

„r)
‚Versicherungszeiten‘: die Beitrags-, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer Selbständigentätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind;

s)
‚Beschäftigungszeiten‘ oder ‚Zeiten einer Selbständigentätigkeit‘: die Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, unter denen sie zurückgelegt worden sind, als solche bestimmt oder anerkannt sind, ferner alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Beschäftigungszeiten oder den Zeiten einer Selbständigentätigkeit gleichwertig anerkannt sind“.

33.     Artikel 71 – Arbeitslose, die während ihrer letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnten – Absatz 1 lautet eingangs wie folgt:

„Für die Gewährung der Leistungen an einen arbeitslosen Arbeitnehmer, der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnte, gilt Folgendes“.

34.     Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a betrifft Grenzgänger und bestimmt im Wesentlichen, dass diese bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall in dem Unternehmen, das sie beschäftigt, Leistungen vom Beschäftigungsstaat erhalten, als ob sie im Gebiet dieses Staates wohnten (Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i), und bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen vom Beschäftigungsstaat erhalten, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für sie gegolten hätten (Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii).

35.     Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b betrifft andere Arbeitnehmer, die, bevor sie arbeitslos wurden, in verschiedenen Mitgliedstaaten gewohnt und gearbeitet haben. Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i bestimmt, dass Arbeitnehmer, die weiterhin dem Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats der letzten Beschäftigung zur Verfügung stehen, von diesem Staat Leistungen erhalten, als ob sie dort wohnten. Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii sieht vor:

„Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären …“

Ist der Pflichtwehrdienst eine „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1?

36.     In seinen Fragen 2 a) und 3 c) aa) ersucht das nationale Gericht um Erläuterungen zur Auslegung von Artikel 71 Absatz 1 und möchte insbesondere wissen, ob der Wehrdienst des Klägers als „letzte Beschäftigung“ im Sinne von Satz 1 dieser Bestimmung gelten kann, so dass Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii anwendbar ist.

37.     Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass Artikel 71 sicherstellen soll, dass dem Wanderarbeitnehmer die Leistungen bei Arbeitslosigkeit unter den für die Arbeitssuche günstigsten Voraussetzungen gewährt werden. Diese Leistungen umfassen nicht nur Geldzahlungen, sondern auch die Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung, die die Arbeitsverwaltung gewährt (15) . Maßgebend für die Anwendung des Artikels in seiner Gesamtheit ist die Tatsache, dass der Betreffende im Gebiet eines anderen als des Mitgliedstaats wohnt, dessen Rechtsvorschriften während seiner letzten Beschäftigung für ihn galten (16) . Nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b können dieser Bestimmung unterliegende Arbeitslose zwischen den Leistungen des zuständigen Staates – der normalerweise nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung sein wird (17) – und denjenigen des Wohnortstaats wählen. Der Arbeitnehmer – der seine Chancen bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung selbst am besten einschätzen kann – trifft diese Entscheidung, indem er sich entweder der Arbeitsverwaltung des Staates der letzten Beschäftigung (Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i) oder der des Wohnortmitgliedstaats (Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii) zur Verfügung stellt (18) . Im vorliegenden Fall möchte der Kläger das Letztere tun.

38.     Man könnte meinen, dass Artikel 71 Absatz 1, wenn entsprechend meiner Auffassung nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f deutsches Recht anwendbar ist, am Ergebnis im vorliegenden Fall nichts ändert, da der Kläger auf jeden Fall Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Staates erhalten soll, in dem er bei Antragstellung wohnt.

39.     Dabei würde jedoch das Verhältnis zwischen Artikel 67 und Artikel 71 übersehen. Zwar muss der die Leistungen wegen Arbeitslosigkeit schuldende Träger, wie nachstehend gezeigt werden wird (19) , unabhängig von der Anwendbarkeit des Artikels 71 nach Artikel 67 Beschäftigungs- und Versicherungszeiten zusammenrechnen; insofern macht es für das Ergebnis im vorliegenden Fall (wenn man von der Anwendbarkeit des deutschen Rechts ausgeht) keinen Unterschied, ob Artikel 71 anwendbar ist oder nicht. Die in Artikel 67 Absatz 3 aufgestellte Bedingung, nämlich dass der Antragsteller „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach den (im vorliegenden Fall) deutschen Rechtsvorschriften „zurückgelegt“ haben muss, wird für die in „Artikel 71 Absatz 1 … Buchstabe b Ziffer ii genannten Fälle“ ausdrücklich aufgehoben. Für den Kläger kann es daher von Belang sein, zu zeigen, dass er in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt.

40.     Der Kläger und die portugiesische Regierung sind der Meinung, dass die Wehrdienstzeit des Klägers eine „Beschäftigung“ im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 Satz 1 sei; die deutsche Regierung und die Kommission vertreten die gegenteilige Auffassung.

41.     Meiner Ansicht nach lässt sich zwar die Bedeutung des Begriffes „Beschäftigung“ im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 festlegen, jedoch ist eine abschließende Beantwortung der Frage unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht möglich. Diese hängt nämlich letztlich vom spanischen Recht ab, dessen Auslegung nicht Sache des Gerichtshofes ist. Der Begriff „Beschäftigung“ wird zwar als solcher in der Verordnung nicht definiert, das vorstehend dargestellte System und die angeführten Ziele des Artikels 71 Absatz 1 legen jedoch nahe, dass dieser Begriff zumindest für die Zwecke dieses Artikels eine bestimmte Bedeutung hat und nur Tätigkeiten abdeckt, die mit Beschäftigungszeiten im Sinne von Artikel 1 Buchstabe s einhergehen, also nur Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt wurden, als Beschäftigungszeiten oder gleichwertige Zeiten angesehen werden.

42.     Diese Ansicht wird auch durch das Urteil Kuyken (20) gestützt, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass Artikel 71 auf einen Arbeitslosen, der nicht als Arbeitnehmer tätig war oder eine gleichgestellte Tätigkeit ausgeübt hat und der deshalb noch keinen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit erworben hat, nicht angewendet werden kann. Diese Beschreibung passt zwar nicht genau auf den Kläger im vorliegenden Fall, der vor der Ableistung seines Wehrdienstes beschäftigt gewesen war, sie zeigt jedoch, dass es zulässig ist, den Begriff „letzte Beschäftigung“ im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 durch Verweisung auf eine mit einer Beschäftigungszeit im Sinne des Artikels 1 Buchstabe s einhergehende Tätigkeit und damit allein auf Zeiten auszulegen, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt wurden, als Beschäftigungszeiten oder gleichwertige Zeiten angesehen werden.

43.     Das nationale Gericht meint, die gegenteilige Ansicht könne auf das Urteil Grahame und Hollanders (21) gestützt werden, wonach Pflichtwehrdienstzeiten „Beschäftigungszeiten“ oder „gleichgestellte Zeiten“ im Sinne von Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstaben a und c der Verordnung seien. In diesen Bestimmungen ist festgelegt, dass die Niederlande entsprechende vor dem 1. Juli 1967 in den Niederlanden zurückgelegte Zeiten bei der Anwendung des Artikels 46 Absatz 2 der Verordnung über die Berechnung von Renten berücksichtigen.

44.     In jener Rechtssache hat der Gerichtshof jedoch ausdrücklich die Definition der Beschäftigungszeiten in Artikel 1 Buchstabe s der Verordnung herangezogen, bemerkt, dass dieser Begriff unstreitig den in Nummer 4 Buchstaben a und c verwendeten Begriffen entspricht, und festgestellt, dass Pflichtwehrdienstzeiten nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie abgeleistet werden, im Rahmen der sozialen Sicherheit als Beschäftigungszeiten behandelt werden (22) .

45.     Die portugiesische Regierung ist der Ansicht, aus Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e Satz 3 ergebe sich, dass Artikel 71 anwendbar sei, wenn die letzte Tätigkeit des Arbeitslosen der Wehrdienst gewesen sei. Dieser Satz lautet: „Zum Wehrdienst oder Zivildienst einberufene oder wiedereinberufene Arbeitnehmer bzw. Selbständige behalten ihre Arbeitnehmereigenschaft bzw. Selbständigeneigenschaft“.

46.     Dies widerspricht jedoch den Feststellungen des Gerichtshofes im Urteil Grahame und Hollanders (23) , dass „[dieser Satz] lediglich zur Bestimmung der auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit anwendbaren Rechtsvorschriften ein anderes, mit der Art der früheren Tätigkeit zusammenhängendes Kriterium anwendet, indem speziell vorgesehen ist, dass [derartige] Arbeitnehmer bzw. Selbständige ihre bisherige Arbeitnehmereigenschaft bzw. Selbständigeneigenschaft behalten“. Während Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e Satz 1 also den Mitgliedstaat bestimmt, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, legt Satz 3 fest, ob die Rechtsvorschriften über Arbeitnehmer oder über Selbständige anzuwenden sind.

47.     Ich bleibe daher bei der Ansicht, dass „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 nur die Zeiten umfasst, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt wurden, als Beschäftigungszeiten oder gleichwertige Zeiten angesehen werden. Das Verfahren, nach dem das vorlegende Gericht feststellen kann, ob die Wehrdienstzeit des Klägers in Spanien nach spanischem Recht als derartige Zeit betrachtet wird, werde ich später im Zusammenhang mit Artikel 67 Absatz 1 behandeln (24) . Artikel 84 der Verordnung Nr. 574/72 (25) zur Durchführung von Artikel 71 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor, dass auch ein nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragender Arbeitsloser die in den nachstehenden Nummern 69 und 70 behandelte Bescheinigung nach Artikel 80 vorlegen muss.

48.     Wenn sich aus dieser Bescheinigung ergibt, dass die Wehrdienstzeit des Klägers in Spanien tatsächlich eine „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 Satz 1 war, so ist diese Bestimmung anwendbar, sofern der Kläger während dieser Zeit „im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnte“.

49.     Während dieser Zeit waren nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e die spanischen Rechtsvorschriften anwendbar; damit ist Spanien der zuständige Staat im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 (26) .

50.     Das nationale Gericht hat den Gerichtshof nicht dazu befragt, ob der Kläger während der Ableistung seines Wehrdienstes in Spanien als in Deutschland wohnhaft anzusehen ist, da es richtigerweise davon ausging, dass die Beantwortung dieser Frage davon abhängt, ob sich der Mittelpunkt der Interessen des Klägers während dieser Zeit weiter in Deutschland befand (27) .

51.     Ich schließe daraus, dass der Wehrdienst des Klägers nur dann als „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 anzusehen ist, wenn er nach den spanischen Rechtsvorschriften als solche definiert oder anerkannt wird oder als solche behandelt und nach diesen Rechtsvorschriften als gleichwertig im Sinne von Artikel 1 Buchstabe s der Verordnung angesehen wird.

52.     Ich werde abschließend kurz darstellen, wie es wäre, wenn auf den Kläger bei der Beantragung der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nicht nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f die deutschen, sondern nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e die spanischen Rechtsvorschriften anwendbar wären. Angenommen, seine Pflichtwehrdienstzeit war seine „letzte Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii und er wohnte während dieser Zeit im Sinne dieser Bestimmung in Deutschland, hätte er nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii immer noch die Wahl, Leistungen nach den deutschen anstatt nach den spanischen Rechtsvorschriften zu beanspruchen. Wäre sein Wehrdienst keine „letzte Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1, wäre diese Bestimmung allerdings gar nicht anwendbar, da seine letzte Beschäftigung dann in Deutschland gewesen wäre, wo er auch wohnte.

Artikel 67 der Verordnung

Einschlägige Bestimmungen

53.     Der Begriff „Arbeitnehmer“ wird in Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung im Wesentlichen definiert als jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst oder in der Verordnung behandelt werden, pflichtversichert oder freiwillig versichert ist.

54.     Artikel 67 – Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten – bestimmt, soweit hier einschlägig:

„(1)  Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind; für Beschäftigungszeiten gilt dies jedoch unter der Voraussetzung, dass sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.

(3)    Absätze 1 und 2 gelten außer in den in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und Buchstabe b) Ziffer ii) genannten Fällen nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor

– im Fall des Absatzes 1 Versicherungszeiten,

– im Fall des Absatzes 2 Beschäftigungszeiten

nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden.“

Zusammenspiel mit Artikel 71 Absatz 1

55.     Mit seinen Fragen 2 b) und 3 c) bb) möchte das nationale Gericht wissen, ob, unterstellt dass der Kläger in den Anwendungsbereich von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii fällt, die Zusammenrechnungsbestimmungen des Artikels 67 anwendbar sind oder statt dessen Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 greift.

56.     Wie die portugiesische Regierung zu Recht vorträgt, wird Artikel 67 Absatz 1 nicht allein deswegen unanwendbar, weil Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii anwendbar ist. Dies ergibt sich eindeutig aus dem System und dem Wortlaut der Bestimmungen.

57.     Erstens stehen Artikel 67 und Artikel 71 in Titel III – Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten – der Verordnung. Titel III Kapitel 6 betrifft die Arbeitslosigkeit. Artikel 67 steht im Abschnitt 1 – Gemeinsame Vorschriften. Titel III Kapitel 6 Abschnitt 2 – Arbeitslose, die sich in einen anderen Mitgliedstaat als den zuständigen Staat begeben – umfasst Artikel 69 – Bedingungen und Grenzen der Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs – und Artikel 70 – Zahlung der Leistungen und Erstattungen. Abschnitt 3, der letzte Abschnitt in Kapitel 6, besteht allein aus Artikel 71. Aus dieser Struktur ist ersichtlich, dass Artikel 67 für alle Abschnitte des Kapitels 6 gilt und somit dem ersten Anschein nach neben Artikel 71 anwendbar ist.

58.     Zweitens wird diese Auslegung durch den Wortlaut von Artikel 67 gestützt. Nach Artikel 67 Absatz 3 ist Artikel 67 Absätze 1 und 2 nur unter der Voraussetzung anwendbar, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen Leistungen beantragt werden (28) . Die Anwendung dieser Voraussetzung wird jedoch für die „in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii und Buchstabe b Ziffer ii genannten Fälle“ ausgeschlossen. Diese Sonderregelung wäre überflüssig, wenn Artikel 71 Absatz 1 nicht neben Artikel 67 anwendbar wäre.

59.     Drittens ist Artikel 67 Absatz 1 auf Mitgliedstaaten anwendbar, nach deren Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist (29) . Danach berücksichtigt der zuständige Träger eines derartigen Mitgliedstaats, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. Diese als Zusammenrechnung bezeichnete Praxis ist eine der zwei Hauptsäulen (die andere ist die Erbringung von Leistungen an Personen in der gesamten Europäischen Union) der Verordnung Nr. 1408/71 und des Artikels 42 EG, auf den diese gestützt ist. Artikel 71 Absatz 1 verschafft lediglich, wie bereits dargelegt (30) , bestimmten Grenzgängern, die während ihrer letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnten, die Wahlmöglichkeit, sich anstatt im Staat ihrer letzten Beschäftigung in ihrem Wohnortstaat arbeitslos zu melden und dort Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu beantragen. Er trifft keine Regelung zur Berechnung dieser Leistungen. Wäre Artikel 67 bei der Beantragung von Leistungen nach Artikel 71 Absatz 1 nicht anwendbar, bräuchte keine Zusammenrechnung zu erfolgen, was dem System der Verordnung und dem EG-Vertrag zuwiderlaufen würde.

60.     Schließlich hat auch der Gerichtshof die von mir vorgeschlagene Auslegung befürwortet und im Urteil Warmedam-Steggerda (31) festgestellt, dass „Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii … keinen Einfluss auf die … Zusammenrechungsvorschriften [in Artikel 67 Absatz 1 hat], die die Voraussetzungen festlegen, unter denen Zeiten berücksichtigt werden müssen, die ein Wanderarbeitnehmer in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen des zuständigen Trägers, der über die Gewährung von Leistungen zu entscheiden hat, zurückgelegt hat“.

61.     Die Zusammenrechnungsbestimmungen des Artikels 67 sind daher anwendbar, wenn der Kläger in den Anwendungsbereich des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii fällt, vorausgesetzt selbstverständlich, dass seine Situation den Tatbestand des Artikels 67 Absatz 1 erfüllt, dem ich mich nun zuwende.

Artikel 67 Absatz 1

62.     In den Fragen 2 c) und 3 b) des nationalen Gerichts geht es im Wesentlichen darum, ob der Wehrdienst des Klägers als „Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer … zurückgelegt wurden“, im Sinne des Artikels 67 Absatz 1 anzusehen ist.

63.     Nach Artikel 67 Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten, auf die er anwendbar ist, „Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer“ nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats „zurückgelegt wurden“, „zusammenzurechnen“, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.

64.     Artikel 1 Buchstaben r und s der Verordnung (32) bewirkt, dass die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeitszeit eine „Versicherungszeit“ oder „Beschäftigungszeit“ im Sinne der Verordnung darstellt, danach zu beantworten ist, wie diese Zeit nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt wurden, eingestuft wird.

65.     Außerdem muss die Versicherungs- oder Beschäftigungszeit für eine Zusammenrechnung nach Artikel 67 Absatz 1 „als Arbeitnehmer … zurückgelegt“ worden sein, also als im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung sozialversicherte Person.

66.     Es scheint unstreitig zu sein, dass der Wehrdienst des Klägers nach den Rechtsvorschriften, nach denen er zurückgelegt wurde ‑ nämlich den spanischen ‑, nicht als Versicherungszeit oder dieser gleichwertige Zeit eingestuft wird. Die Frage des nationalen Gerichts beschränkt sich also darauf, ob der Wehrdienst eine „[Beschäftigungszeit], die als Arbeitnehmer … zurückgelegt [wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 darstellt. Wenn ja, muss die Beklagte als zuständiger Träger bei der Feststellung, ob der Kläger die nach deutschem Recht für einen Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit erforderliche Anwartschaftszeit zurückgelegt hat, die Wehrdienstzeit berücksichtigen, sofern der Kläger auch der Voraussetzung des Artikels 67 Absatz 3 (der nachfolgend behandelt wird) (33) , soweit anwendbar, genügt und die Wehrdienstzeit als Versicherungszeit zählen würde, wäre sie nach den deutschen Rechtsvorschriften abgeleistet worden (was nach § 107 AFG der Fall ist).

67.     Die portugiesische Regierung meint, die Beklagte müsse den Wehrdienst des Klägers berücksichtigen. Sie trägt unter Berufung auf das Urteil Warmedam-Steggerda (34) vor, der zuständige, Artikel 67 unterliegende Träger müsse nicht prüfen, ob der Wehrdienst nach dem Recht des Staates, nach dem er abgeleistet wurde, als Versicherungszeit gelte, sondern ob er als Versicherungszeit gelten würde, wäre er im Staat der zuständigen Einrichtung, d. h. in Deutschland, abgeleistet worden. Das sei zu bejahen.

68.     Ich lehne diese Auslegung ab. Die portugiesische Regierung konzentriert sich offenbar allein auf das letzte Tatbestandsmerkmal des Artikels 67 Absatz 1. Es bewirkt, dass Beschäftigungszeiten (35) nur dann nach Artikel 67 Absatz 1 zusammenzurechnen sind, wenn sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wären sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden. Es handelt sich dabei jedoch nur um eine zusätzliche Voraussetzung; die Voraussetzung, die sich aus der Definition in Artikel 1 Buchstabe s ergibt, nämlich dass die Beschäftigungszeit nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, nach denen sie zurückgelegt wurde, als solche eingestuft wird, muss ebenfalls erfüllt sein.

69.     Die deutsche Regierung und die Kommission machen geltend, dass Wehrdienst nach den spanischen Rechtsvorschriften nicht als Beschäftigungszeit gelte: Es bestehe keine Sozialversicherungspflicht, und es entstünden keine Sozialversicherungsansprüche. Zwar kann der Gerichtshof selbstverständlich nicht über die Auswirkungen der nationalen Sozialversicherungsvorschriften eines Mitgliedstaats entscheiden; im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus dem Vorlagebeschluss, dass der spanische Sozialversicherungsträger eine Bescheinigung nach Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/72 ausgestellt hat (36) , nach der der Kläger nur vom 1. Dezember 1991 bis 4. Dezember 1992 Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat. Die Bescheinigung wurde im Januar 1997 ausgestellt. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Annahme, der Wehrdienst gelte nach den spanischen Rechtsvorschriften nicht als Beschäftigungszeit, zutrifft.

70.     Die Bescheinigung des spanischen Trägers ist jedoch nicht unwiderleglich, weil sich die Einordnung der Wehrdienstzeit des Klägers nicht zwangsläufig aus dem Umstand ergibt, dass sie nicht erwähnt wird, und weil der Gerichtshof zudem festgestellt hat, dass derartige vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats nach der Verordnung Nr. 574/72 ausgestellte Bescheinigungen weder für den bei Arbeitslosigkeit zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats noch für die Gerichte dieses Staates einen unwiderleglichen Beweis darstellen (37) . Sowohl diesem Träger als auch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens den nationalen Gerichten steht es völlig frei, den Inhalt dieser Bescheinigung zu überprüfen (38) ; wenn der Kläger im vorliegenden Fall Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachen äußert, auf denen die Bescheinigung beruht, und damit an den darin enthaltenen Angaben, muss außerdem, wie die Kommission vorträgt, der spanische Träger die Richtigkeit der Bescheinigung überprüfen und sie gegebenenfalls zurückziehen (39) .

71.     Nach Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/72 muss die Bescheinigung für die Zwecke des Artikels 67 Absatz 1 außerdem die „Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten [angeben, die die betreffende Person] als Arbeitnehmer zurückgelegt hat“. Hätte der spanische Träger nach Artikel 80 zu bescheinigen, dass die Wehrdienstzeit des Klägers eine „Beschäftigungszeit“ darstellt, müsste er auch angeben, ob der Kläger diese Zeit „als Arbeitnehmer“ zurückgelegt hat.

72.     In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen meine ich, dass der Wehrdienst des Klägers nur dann als „[Beschäftigungszeit], die als Arbeitnehmer zurückgelegt [wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 angesehen werden kann, wenn er, erstens, im Sinne von Artikel 1 Buchstabe s der Verordnung nach den spanischen Rechtsvorschriften als Beschäftigungszeit definiert oder anerkannt wird oder als solche behandelt und nach diesen Rechtsvorschriften als gleichwertig angesehen wird und, zweitens, der Kläger während der Ableistung des Wehrdienstes im Sinne von Artikel 1 Absatz a der Verordnung versichert war.

Artikel 67 Absatz 3

73.     In der Frage 3 a) des nationalen Gerichts geht es im Wesentlichen darum, wie weit eine Versicherungszeit zurückliegen darf, um im Sinne von Artikel 67 Absatz 3 „unmittelbar zuvor … zurückgelegt“ worden zu sein.

74.     Artikel 67 Absatz 3 bestimmt, dass die nach Artikel 67 Absatz 1 vorgesehene Zusammenrechnung, außer in den in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii und Buchstabe b Ziffer ii genannten Fällen, nur durchzuführen ist, wenn die betreffende Person „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften „zurückgelegt hat“, nach denen die Leistungen beantragt werden.

75.     Es ist verständlich, dass Artikel 67 Absatz 3 in den Fällen des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii und Buchstabe b Ziffer ii nicht anwendbar ist, da der Antragsteller in diesen Fällen naturgemäß in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner letzten Beschäftigung Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragt (40) und demgemäß nicht „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften „zurückgelegt hat“, nach denen die Leistungen beantragt werden.

76.     Mit seiner Frage 3 a) möchte das nationale Gericht wissen, ob eine Person, die vor über einem Jahr ihre letzte Versicherungszeit in Deutschland beendet hat und danach ihren neunmonatigen Pflichtwehrdienst in Spanien abgeleistet hat, im Sinne dieser Bestimmung „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach deutschem Recht zurückgelegt hat. Die deutsche Regierung und die Kommission meinen, diese Frage sei zu bejahen. Ich stimme dem zu.

77.     Wie sich aus dem Wortlaut der Frage klar ergibt, hat der Kläger seine letzte Versicherungszeit in Deutschland über ein Jahr vor seinem Antrag auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beendet. Artikel 67 Absatz 3 hätte also zur Folge, dass Artikel 67 Absatz 1 nicht anwendbar wäre, wenn entweder die verstrichene Zeit oder die Ableistung des Wehrdienstes in Spanien dazu führten, dass diese Versicherungszeit nicht „unmittelbar [vor]“ der Beantragung der Leistungen „zurückgelegt“ wurde.

78.     Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass Artikel 67 Absatz 3 zum Ziel hat, die Arbeitssuche im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung zu fördern und diesen Staat die Leistungen bei Arbeitslosigkeit tragen zu lassen (41) . Da es keinen gemeinsamen Arbeitsmarkt gibt, soll außerdem die Ausfuhr von Arbeitslosigkeit dadurch vermieden werden, dass Arbeitslose ermutigt werden, in erster Linie im Staat der letzten Beschäftigung Arbeit zu suchen (42) .

79.     Diesem Ziel entspricht es, dass der Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung einer Person, die die letzte Versicherungszeit in diesem Staat zurückgelegt hat, unabhängig von der zwischen der Beendigung dieser Versicherungszeit und dem Antrag auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit verstrichenen Zeit diese Leistungen weiterhin zu zahlen hat, sofern in der Zwischenzeit nicht eine weitere Versicherungszeit in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurde.

80.     Der in der deutschen Fassung von Artikel 67 Absatz 3 verwendete Begriff für „lastly“ lautet zwar „unmittelbar zuvor“, was wörtlich „immediately before“ heißt. Die in verschiedenen anderen Sprachfassungen benutzten Begriffe bedeuten jedoch dasselbe wie das englische „lastly“ und das französische „en dernier lieu“, also „zuletzt“, die etwa dahin zu verstehen sind, dass die fragliche Zeit die letzte derartige Zeit vor einem bestimmten Tag und nicht zwangsläufig die unmittelbar davor liegende Zeit ist (43) .

81.     Das bedeutet, dass die Wehrdienstzeit des Klägers in Spanien nur dann dazu führt, dass die vorangegangene Versicherungszeit in Deutschland nicht „unmittelbar zuvor“ im Sinne des Artikels 67 Absatz 3 zurückgelegt wurde, wenn die Wehrdienstzeit selbst eine Versicherungszeit im Sinne der Verordnung und nach der Definition des Artikels 1 Buchstabe r ist. Wie bereits ausgeführt (44) , sind alle Beteiligten der Ansicht, dass dies nicht der Fall ist.

82.     Ich bin daher der Ansicht, dass eine Versicherungszeit, die eine Person nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zurückgelegt hat, „unmittelbar zuvor“ im Sinne des Artikels 67 Absatz 3 zurückgelegt wurde, wenn diese Person anschließend in diesem Staat Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragt, selbst wenn sie dem Antrag auf Leistungen nicht unmittelbar vorausgegangen ist, sofern keine weitere Versicherungszeit dazwischen liegt (45) .

Zusammenfassung der Feststellungen zu den ersten drei Fragen

83.     An dieser Stelle erscheint mir eine Zusammenfassung meiner Feststellungen zur Anwendung von Artikel 13 Absatz 2, Artikel 67 und Artikel 71 im vorliegenden Fall hilfreich.

84.     Wenn nach dem Urteil Kuusijärvi (46) gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f das deutsche Recht anwendbar ist, gilt Folgendes:

a)
Wenn der Wehrdienst als „Beschäftigung“ im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 gilt (was nach Artikel 1 Buchstabe s von dessen Einstufung nach den spanischen Rechtsvorschriften abhängt und durch eine Bescheinigung im Sinne von Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/71 nachzuweisen ist) und der Kläger während seines Wehrdienstes im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 in der Auslegung des Gerichtshofes in Deutschland wohnte (47) , ist Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii auf diesen anwendbar, so dass er in Deutschland Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragen kann, selbst wenn er zuletzt in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt war.

b)
Ist Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii auf den Kläger anwendbar, so muss der deutsche Träger die Wehrdienstzeit des Klägers bei der Bestimmung seines Anspruchs auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit berücksichtigen, wenn

i)
es sich um „Beschäftigungszeiten [handelt], die als Arbeitnehmer [im Sinne des Artikels 1 Buchstaben a und s] … zurückgelegt wurden“; damit wird eine zusätzliche Voraussetzung zu denjenigen aufgestellt, aufgrund deren Erfüllung er in den Anwendungsbereich von Artikel 71 Absatz 1 fällt; auch dies ist eine Frage des spanischen Rechts, über die nach Artikel 80 eine Bescheinigung auszustellen ist;

ii)
sie gemäß Artikel 67 Absatz 1 als Versicherungszeit angerechnet würde, wäre sie nach den deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden.

c)
Fällt der Kläger nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii, kann er trotzdem Leistungen wegen Arbeitslosigkeit in Deutschland verlangen (da dessen Rechtsvorschriften nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f anwendbar sind); der deutsche Träger muss die Wehrdienstzeit bei der Bestimmung des Anspruchs auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit berücksichtigen, vorausgesetzt

i)
die Voraussetzungen in Punkt b sind erfüllt und

ii)
der Kläger hat gemäß Artikel 67 Absatz 3 „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach den deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt.

85.     Sind nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e entsprechend der Rechtsprechung zu Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a aus der Zeit vor der Einführung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f die spanischen Rechtsvorschriften anzuwenden, gilt Folgendes: Die Feststellungen in den Punkten a und b des vorstehenden Absatzes bleiben unberührt. Fällt der Kläger jedoch nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii, so kann er in Deutschland keine Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragen; er könnte dies allerdings in Spanien getan haben (das nach Artikel 67 Absatz 1 grundsätzlich seine vorher in Deutschland zurückgelegten Versicherungs- und/oder Beschäftigungszeiten hätte anrechnen müssen, vorausgesetzt er hat „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach den spanischen Rechtsvorschriften zurückgelegt).

Gleichbehandlungsgrundsatz

86.     Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung bestimmt:

„Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.“

87.     Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich für den Kläger, wenn seine Wehrdienstzeit nicht nach den Bestimmungen der Verordnung über Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (nämlich Artikel 67 und 71) berücksichtigt werden kann, aus Artikel 3 oder anderen allgemeinen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts entsprechende Ansprüche ergeben.

88.     Der Kläger und die portugiesische Regierung machen geltend, der Kläger könne solche Ansprüche aus Artikel 3 Absatz 1 ableiten; die deutsche Regierung und die Kommission sind anderer Meinung.

89.     Die portugiesische Regierung stützt ihre Ansicht auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Mora Romero (48) .

90.     In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass nach Artikel 3 Absatz 1 „ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muss, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen“ (49) .

91.     Meiner Meinung nach kann dieses Urteil nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Im Urteil Mora Romero ging es um einen Anspruch auf Waisenrente. Der Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, erhielt diese Leistung nach den deutschen Rechtsvorschriften, die eine Zahlung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres mit Verlängerung um einen der Wehrdienstzeit entsprechenden Zeitraum vorsahen. Der Kläger hatte seine Wehrdienstzeit in Spanien vor der Vollendung seines 25. Lebensjahres abgeleistet. Der zuständige deutsche Träger stellte die Zahlung der Waisenrente ein, als er 25 wurde, und lehnte eine Verlängerung um einen seiner Wehrdienstzeit entsprechenden Zeitraum ab.

92.     Obwohl sowohl der Kläger als auch die betreffende Leistung eindeutig in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen, war seinerzeit die Sachlage in einem wesentlichen Punkt anders als im vorliegenden Fall: Die Verordnung enthielt für den Bereich, um den es im Urteil Mora Romero ging, keine besondere Bestimmung. Insbesondere waren nach der einzigen Bestimmung der Verordnung, die im Zusammenhang mit Waisenrenten eine Zusammenrechnung regelt (Artikel 79), bei der Bestimmung des Anspruchs auf diese Leistung nur Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbständigen Tätigkeit oder Wohnzeiten zu berücksichtigen, die der verstorbene Elternteil in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt hatte.

93.     Da es in der Verordnung keine Bestimmung zur Regelung der Situation des gegenüber einem deutschen Staatsbürger in derselben Situation klar benachteiligten Klägers gab, war der Rückgriff des Gerichtshofes auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 offenkundig angebracht.

94.     Artikel 3 Absatz 1 gilt jedoch ausdrücklich nur, „soweit besondere Bestimmungen [der] Verordnung nichts anderes vorsehen“; im vorliegenden Fall enthält die Verordnung anders als für den Sachverhalt, um den es im Urteil Mora Romero ging, besondere Bestimmungen, nämlich die Artikel 67 und 71, die den auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit gerichteten Anspruch eines Arbeitslosen regeln, der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt hat. Wie die deutsche Regierung und die Kommission geltend machen, verdrängen diese Bestimmungen den in Artikel 3 Absatz 1 verankerten Gleichheitsgrundsatz.

95.     Jede andere Auffassung liefe darauf hinaus, die detaillierte Bestimmung des Artikels 67 Absatz 1 neu zu schreiben und insbesondere für diese Zwecke die Definition der „Beschäftigungszeiten“ zu verändern.

96.     Es ließe sich sagen, dass es eine Lücke im System der Verordnung zeige, die durch die Anwendung des Artikels 3 Absatz 1 zu schließen sei, wenn der Kläger nach Artikel 67 Absatz 1 keinen Anspruch auf Zusammenrechnung habe.

97.     Ich teile diese Ansicht nicht. Wenn Artikel 67 Absatz 1 nicht auf den Kläger anwendbar ist, dann deswegen, weil seine Wehrdienstzeit keine als Arbeitnehmer zurückgelegte Versicherungs- oder Beschäftigungszeit im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Das folgt gegebenenfalls daraus, dass die spanischen Rechtsvorschriften den Wehrdienst nicht als solche Zeiten anerkennen. Es ist mit dem Aufbau und den Zielen der Verordnung in vollem Umfang vereinbar, dass eine Wehrdienstzeit, die nach den Rechtsvorschriften, unter denen sie zurückgelegt wurde, nicht als Beschäftigungs- oder Versicherungszeit oder als ihr gleichwertig betrachtet wird, für die Zwecke eines Anspruchs auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nicht zusammengerechnet wird.

98.     Dasselbe gilt auch bei Berufung auf andere allgemeine Gleichbehandlungsgrundsätze, wie z. B. den im Vorlagebeschluss genannten Grundsatz des Artikels 39 Absatz 2 EG.

Ergebnis

99.     Die Beantwortung der Frage, ob auf eine Person, die zunächst im Mitgliedstaat A beschäftigt war, dann im Mitgliedstaat B ihre Pflichtwehrdienstzeit zurücklegte, anschließend wieder in den Mitgliedstaat A zurückkehrt und dort Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragt, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats A oder des Mitgliedstaats B anwendbar sind, hängt davon ab, ob die Auslegung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, zu der der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache C‑275/96 (Kuusijärvi, Slg. 1998, I-3419) gekommen ist, auf Personen anwendbar ist, die Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beantragen. Ist die Auslegung zu Urteil Kuusijärvi anzuwenden, unterliegt diese Person nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats A als dem Wohnstaat. Ist die Auslegung nicht anwendbar, unterliegt diese Person nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats B als dem Staat, dessen Rechtsvorschriften sie während ihrer Wehrdienstzeit unterlag.

100.   Die übrigen Fragen des Bundessozialgerichts sollten wie folgt beantwortet werden:

1.
Die Pflichtwehrdienstzeit ist nur dann als „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen, wenn sie nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt wurde, als solche definiert oder anerkannt wird oder als solche behandelt und zugleich nach diesen Rechtsvorschriften als einer Beschäftigungszeit im Sinne des Artikels 1 Buchstabe s der Verordnung gleichwertig angesehen wird.

2.
Die Pflichtwehrdienstzeit ist nur dann als [„Beschäftigungszeit], die als Arbeitnehmer … zurückgelegt [wurde]“, im Sinne des Artikels 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 einzustufen, wenn sie, erstens, nach den spanischen Rechtsvorschriften als Beschäftigungszeit definiert oder anerkannt wird oder als solche behandelt und zugleich nach diesen Rechtsvorschriften als gleichwertig im Sinne des Artikels 1 Buchstabe s der Verordnung angesehen wird und, zweitens, der Kläger während der Ableistung des Wehrdienstes im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a versichert war.

3.
Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ist auf einen Antragsteller anwendbar, der in den Anwendungsbereich des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii dieser Verordnung fällt.

4.
Legt eine Person Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zurück und beantragt sie danach Leistungen wegen Arbeitslosigkeit in diesem Staat, so wurde die Versicherungszeit „unmittelbar zuvor“ im Sinne von Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 zurückgelegt, selbst wenn sie dem Antrag auf Leistungen nicht unmittelbar vorausging, sofern keine weitere Versicherungszeit dazwischen liegt.

ANHANG

Vom Bundessozialgericht vorgelegte Fragen:

1.      Unterliegt eine Person, die über zwei Monate nach Beendigung ihres in Spanien abgeleisteten Pflichtwehrdienstes Leistungen aus der deutschen Arbeitslosenversicherung beansprucht,

a)
nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. L 230, S. 6), geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 (ABl. L 206, S. 2) – im Folgenden: EWGV 1408/71 – den spanischen Rechtsvorschriften oder

b)
nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f EWGV 1408/71 den deutschen Rechtsvorschriften?

2.      Wenn die Frage 1 a) bejaht wird:

a)
Stellt der in Spanien geleistete Pflichtwehrdienst die „letzte Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats“ im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 EWGV 1408/71 dar?

b)
Wenn die Frage 2 a) bejaht wird:

Enthält Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 EWGV 1408/71 auch die Regelung, dass die letzte, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegte Beschäftigung für die Leistungen an Arbeitslose so zu berücksichtigen ist, als wäre sie im Wohnstaat zurückgelegt, ohne dass es einer Prüfung der Voraussetzungen des Artikels 67 EWGV 1408/71 bedarf?

c)
Wenn die Frage 2 b) verneint wird:

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zeit der Ableistung der Wehrpflicht, die nach nationalem (spanischem) Recht weder eine Versicherungszeit in der Arbeitslosenversicherung darstellt noch einer solchen gleichsteht, nach Artikel 67 Absatz 1 EWGV 1408/71 eine Beschäftigungszeit, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurde?

3.      Wenn die Frage 1 b) bejaht wird:

a)
Hat eine Person, die vor über einem Jahr ihre letzte Versicherungszeit in Deutschland beendet hat und die danach ihren neunmonatigen Pflichtwehrdienst in Spanien abgeleistet hat, im Sinne des Artikels 67 Absatz 3 EWGV „unmittelbar zuvor“ Versicherungszeiten nach deutschem Recht zurückgelegt?

b)
Wenn die Frage 3 a) bejaht wird:

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zeit der Ableistung der Wehrpflicht, die nach nationalem (spanischem) Recht weder eine Versicherungszeit in der Arbeitslosenversicherung darstellt noch einer solchen gleichsteht, nach Artikel 67 Absatz 1 EWGV 1408/71 eine Beschäftigungszeit, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurde? (entspricht Frage 2 c))

c)
Wenn Artikel 67 Absatz 1 EWGV 1408/71 nicht auf den Kläger anwendbar ist (Fragen 3 a) und b)):

aa)
Stellt der in Spanien geleistete Pflichtwehrdienst die „letzte Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats“ im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 EWGV 1408/71 dar? (entspricht Frage 2 a))

bb)
Wenn die Frage 3 c) aa) bejaht wird:

Enthält Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 EWGV 1408/71 auch die Regelung, dass die letzte, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegte Beschäftigung für die Leistungen an Arbeitslose so zu berücksichtigen ist, als wäre sie im Wohnstaat zurückgelegt, ohne dass es einer Prüfung der Voraussetzungen des Artikels 67 EWGV 1408/71 bedarf? (entspricht Frage 2 b))

4.      Sofern weder nach Artikel 71 noch nach Artikel 67 EWGV 1408/71 für den Anspruch des Klägers auf Leistungen der deutschen Arbeitslosenversicherung die Zeit des spanischen Pflichtwehrdienstes zu berücksichtigen ist, ergibt sich ein entsprechender Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 EWGV 1408/71 oder aus anderen allgemeinen Bestimmungen des Europarechts?


1
Originalsprache: Englisch.


2
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Der Text der Verordnung mit den bis Ende 1995 vorgenommenen Änderungen steht in Teil I des Anhangs A der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 zur Änderung und Aktualisierung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. 1997, L 28, S. 1).


3
Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Der Text dieser Verordnung in der Ende 1995 gültigen Fassung steht in Teil II des Anhangs A der in Fußnote 2 angeführten Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates.


4
Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72, ABl. L 206, S. 2.


5
Vgl. z. B. Rechtssache C-275/96 (Kuusijärvi, Slg. 1998, I-3419, Randnr. 28 des Urteils).


6
Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 33 des Urteils.


7
Randnr. 34 des Urteils.


8
Vgl. Randnrn. 35 und 39 bis 50, insbesondere Randnrn. 39 und 40.


9
Randnr. 29 des Urteils.


10
Zur weiteren Diskussion von Artikel 67 siehe Nrn. 54 bis 82 der vorliegenden Schlussanträge.


11
Vgl. z. B. Rechtssache 145/84 (Cochet, Slg. 1985, 801, Randnr. 11 des Urteils) und Rechtssache C-454/93 (Van Gestel, Slg. 1995, I-1707, Randnrn. 13 und 14).


12
Zitiert in Fußnote 4.


13
Rechtssache 150/92 (Coppola, Slg. 1983, 43) und Rechtssache 302/84 (Ten Holder, Slg. 1986, 1821).


14
Vgl. z. B. Cochet, zitiert in Fußnote 11, Randnrn. 14 und 15 des Urteils, Rechtssache C-131/95 (Huijbrechts, Slg. 1997, I-1409, Randnr. 26) und zuletzt Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache C-311/01 (Kommission/Niederlande, Randnr. 32).


15
Vgl. z. B. Rechtssache 1/85 (Miethe, Slg. 1986, 1837, Randnr. 16 des Urteils).


16
Rechtssache 76/76 (Di Paolo, Slg. 1977, 315, Randnr. 11 des Urteils).


17
Vgl. auch Nr. 30.


18
Vgl. z. B. Urteil Miethe, zitiert in Fußnote 15, Randnr. 9, und Urteil Van Gestel, zitiert in Fußnote 11, Randnr. 23.


19
In Nrn. 55 bis 61.


20
Rechtssache 66/77 (Slg. 1977, 2311, Randnr. 19 des Urteils).


21
Rechtssache C-248/96 (Slg. 1997, I-6407, Randnr. 31 des Urteils).


22
Randnr. 26 des Urteils.


23
Zitiert in Fußnote 21, Randnr. 31 des Urteils.


24
Vgl. Nrn. 69 und 70.


25
Zitiert in Fußnote 3.


26
Vgl. die in Fußnote 11 zitierte Rechtsprechung.


27
Di Paolo, zitiert in Fußnote 16, Randnrn. 17 bis 22 des Urteils; vgl. auch Nr. 9 der Schlussanträge des Generalanwalts Mancini in der Rechtssache 41/84 (Pinna, Slg. 1986, 1).


28
Diese Bestimmung wird in Nrn. 74 bis 82 behandelt.


29
Mitgliedstaaten, nach deren Rechtsvorschriften derartige Ansprüche von der Zurücklegung von Beschäftigungszeiten anstatt von Versicherungszeiten abhängig sind, fallen unter die Parallelbestimmung des Artikels 67 Absatz 2.


30
Vgl. Nr. 37.


31
Rechtssache 388/87, Slg. 1989, 1203, Randnr. 18 des Urteils.


32
Wiedergegeben in Nr. 32.


33
Vgl. Nrn. 74 bis 82.


34
Zitiert in Fußnote 31, Randnr. 21 des Urteils.


35
Das Tatbestandsmerkmal bezieht sich nicht auf Versicherungszeiten: vgl. Rechtssache 126/77 (Frangiamore, Slg. 1978, 725).


36
Zitiert in Fußnote 3; die maßgebenden Bestimmungen des Artikels 80 sind in Nr. 4 zusammengefasst wiedergegeben.


37
Rechtssache C-102/91 (Knoch, Slg. 1992, I-4341, Randnr. 54 des Urteils).


38
Knoch, zitiert in Fußnote 37, Randnr. 53 des Urteils.


39
Rechtssache C-178/97 (Banks u. a., Slg. 2000, I-2005, Randnr. 43 des Urteils).


40
Vgl. Nrn. 33 und 37.


41
Rechtssache C-62/91 (Gray, Slg. 1992, I-2737, Randnr. 12 des Urteils).


42
Rechtssache Gray, zitiert in Fußnote 41, Nr. 5 der Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro.


43
Zum Beispiel „senest“ (Dänisch), „laatstelijk“ (Niederländisch), „viimeksi“ (Finnisch), „da ultimo“ (Italienisch), „en ultimo lugar“ (Spanisch) und „senast“ (Schwedisch).


44
Vgl. Nr. 66.


45
Der Beschluss in der Rechtssache C-175/00 (Verwayen-Boelen, Slg. 2002, I-2141) berührt meine Feststellung und die vorangegangene Erörterung nicht. Dieser Beschluss geht zwar davon aus, dass die Beschäftigungszeit der Klägerin in Belgien von 1977 bis 1986 bei der Beantragung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit in Belgien im Jahr 1997 wegen der in den Niederlanden verbrachten Zeit von 1987 bis 1995, in der sie Leistungen erhielt, aber keine Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zurücklegte, nicht als „unmittelbar zuvor“ im Sinne des Artikels 67 Absatz 3 in Belgien zurückgelegt gelten kann, der Gerichtshof hat diesen Punkt jedoch nicht ausdrücklich geprüft.


46
Zitiert in Fußnote 5.


47
Zu diesem Punkt wurde keine Frage vorgelegt.


48
Rechtssache C-131/96 (Slg. 1997, I-3659).


49
Randnr. 36 des Urteils.